Oxford, Magdalen College

NeubauOxford, Magdalen College

Erbaut 2023, Hermann Eule Orgelbau - opus ***, IV + P/45 (davon 6 Extensionen) + 4 Transmissionen www.magdalen.oxford.uk

  • Oxford
  • 2021 - 2023
  • Neubau

 

Die Festschrift unserer Orgel in englischer Sprache verfasst finden Sie auf unserer Webseite unter Publikationen.

Lesen Sie Ausschnitte des Berichtes von Jiří Kocourek in der Ars Organi-Ausgabe von Juni 2023 zur neuerbauten Eule-Orgel im Magdalen College in Oxford.

 

Das Magdalen Collage Oxford besitzt eine außergewöhnlich beeindruckende Kapelle (Chapel), 1828-33 aus einem gotischen Gebäude in einem heraus reichen neugotischen Stil neu gestaltet durch den bedeutenden Architekten Lewis Nockalls Cottingham (1787-1847). Die Kapelle besteht aus einem großen Chorraum mit den typisch englischen Chorbankreihen und einem, ebenso großen Querhaus (Ante-Chapel). Beide sind getrennt durch eine schmale. fast zierliche Lettnerempore am Ende des Chorraums. In deren Brüstung zum Chorraum steht ein unikates Orgelgehäuse der Choir Organ aus filigranem Steinwerk mit gusseisernem Innentragwerk, ebenso von Cottingham entworfen, in das 1855 Grey & Davison einen Teil ihrer neuen großen Orgel einbauten. Ihr Gehäuse war im Übrigen freistehend und allseitig gestaltet. Dieses mehrfach technisch umgebaute und erweiterte Instrument wurde 1986 durch eine gänzlich neue, aber viel kleinere und sehr eng gebaute mechanische Schleifenladenorgel von Mander, London, ersetzt (III/22 mit Koppelmanual), für die Architekt Julian Bicknell ein neues neugotisches, ebenfalls vierseitiges Gehäuse entwarf. Es fand jetzt einen neuen Standort in einer Kirche in Ungarn.

Am College wird auf sehr hohem Niveau Kirchenmusik gepflegt. Zu den zahlreichen Evensongs, Gottesdiensten und Konzerten musiziert ein exzellenter Chor unter Leitung von Informator Choristarum Mark Williams und begleitet von hochbegabten Organ Scholars. Hier entwickelte sich mit der Zeit der Wunsch nach einer großen, symphonischen Orgel, die über mehr Dynamik und Abstufungen bei Begleitungen als auch bei solistischer Orgelmusik verfügt als das bisherige, schlank und hell klingende neobarocke Instrument.

Gewünscht war nicht mehr und nicht mehr und nicht weniger als eine exzellente moderne Orgel unserer Zeit, die eine solche Größe und klangliche Stilistik aufwies, dass sie die vielfältigen Aufgaben des solistischen Spiels, der Begleitung von Chören und der Gemeinde und nicht zuletzt des Orgelunterrichts optimal erfüllen konnte. Registerzahl, Disposition, technische Ausstattung, all das konnten die Orgelbauer selbst vorschlagen.

 

Auch das Magdalen College schreibt über eines unserer jüngsten Großprojekte. Lesen Sie hier, wie unsere Orgel in Oxford eingeweiht wurde.

 

 

 

Eule-Orgel Oxford

 

I. Manual: Great C-c′′′′         

Bordun 16′ tr. IV
Principal major 8′
Flute major 8′
Cello 8′
Gedackt 8′ tr. IV
Octave 4′
Gemshorn 4′
Quinte 2 2/3′ *
Octave 2′
Mixtur 3fach 1 1/3′
Cornett 2-5fach 2 2/3′
Trumpet 8′

*               Teil des Cornett

 

II. Manual: Choir C-c′′′′

Principal doux 8′
Salicional 8′
Gedackt 8′
Octave 4′
Flute douce 4′
Nassat 2 2/3′
Waldflöte 2′
Terz 1 3/5′
Clarinette 8′
– Tremulant

 

III. Manual: Swell C-c′′′′

Flûte harmonique 8′
Viola d’amour 8′
Violes célestes 8′ ab c°
Salicet 4′
Flauto traverso 4′
Violine 2′
Oboe 8′
Physharmonica 16′
Physharmonica 8′ ext.
– Tremulant

 

IV. Manual: Récit C-c′′′′

Bourdon 16′
Diapason 8′
Liebl. Gedackt 8′ ext.
Octave 4′
Plein jeu 3fach 2′
Basson 16′
Trompette harmon. 8′
Voix humaine 4′
– Tremulant
Floating: Solo (C-c’’’’)
elektrisch
Tuba 8′

 

Pedal          C-g′

Principalbass 16′
Subbass 16′
Bourdonbass 16′ tr. IV
Quinte 10 2/3′ ext. S 16′
Octavbass 8′ ext.
Bassflöte 8′ ext.
Gedacktbass 8′ tr. IV
Octave 4′
Trombone 8′

 

 

Nebenregister

– 11 normal couplers: 2 mechanical II-I, II-P, 8 electrical III-I, IV-I, III-II, IV-II, IV-III, I-P, III-P, IV-P, 1 reverse coupler I-II electrical

– 11 octave couplers: 5 Super-octave couplers IV-IV, III-III, IV-I, III-I, IV-P, 6 Sub-octave couplers IV-IV, IV-III, III-III, IV-I, III-I, I-I

– Unison off for manual IV

– Tuba with own stop knobs for every keyboard, in the pedal additional as 4’

– Swell III; Swell IV; Swell Physharmonica; Swell Coupler acting in the Swell IV (but not on the Physharmonica)

– 8 Divisional combinations per division; Coupler for Comb. I&P

– 10 General combinations 1-10, Cancel, Set

– Setting system with an open area with 10.000 combinations and an authorized area with unlimited number of combinations

– Key action: I+II+III mechanical (excl. Bourdon 16’), IV+P electrical

– Tuning: equal at 440 Hz at 17° C

 

Die große Herausforderung

 

Doch dem eindrucksvollen Raumerlebnis folgte die Ernüchterung: Für die große symphonisch-orchestrale Orgel stand nur eine 8,9m breite Empore zur Verfügung, von der seitlich je 1,85m vom Treppenhaus belegt waren, und die nur 2,38m tief war. Das Gehäuse durfte nicht zu breit und nicht zu hoch sein, um den Durchblick in die Ante-Chapel nicht zu verstellen. Es benötigte gestaltete Prospektfassaden an allen vier Seiten, sollte sich stilistisch ideal in die neugotische Architektur einfügen und natürlich das prachtvolle Steingehäuse der Choir Organ einbeziehen. Mit 45 Registern und vier Transmissionen auf vier Manualen und Pedal wurde die neue Orgel nicht nur doppelt so groß wie die Vorgängerin, sondern erhielt auch durchweg größere, weiter mensurierte und bis in die Bassanlage ausgebaute Register, größere Tastenumfänge, mehr und größere Bälge, mehr Spieltechnik, massivere Schwellkästen u.a., und sie sollte nicht zuletzt besser zugänglich sein als die bisherige Orgel. Auch sollte sie nicht nur zur Chapel, sondern auch zur Ante-Chapel hin klingen, eine Herausforderung für jeden Orgelkonstrukteur. […]

Für das neue Gehäuse fertigte der Dresdner Architekt Dr. Klausjürgen Schöler die Entwürfe, Architekt Stephen Oliver aus Brimingham lenkte den Prozess mit wertvollen Vorschlägen. Die neugotischen Zierwerkdetails zeichnete und realisierte der Dresdner Restaurator und Holzbildhauer Stephen Thürmer, die Gehäusestruktur fertigte die Fachtischlerei Glaser und Rodewisch. Die feine englische Neugotik ist inspiriert durch Oliver Bicknells kleinerem Prospekt von 1986, die Architektur der Chapel und das steinerne Choir-Gehäuse von Cottingham sowie die einstige Orgel von Grey & Davison, 1855. Das Gehäuse wurde aus massiver, lasierter Eiche gebaut. Die Hauptfassade zur Chapel enthält Principal 8′ des Hauptwerks in den oberen Mitteltürmen, Principal 16′ des Pedals in den Seitentürmen und Principal doux 8′ des Choir im Choir-Gehäuse. Der rückseitige Prospekt zur Ante-Chapel hin hat Schwelljalousien in den Seitentürmen und in der Mitte drei Blindfelder, die den Klangdurchlass verbessern.

 

Klang- und Spieltechnik der Eule-Orgel

 

Im seitlichen Spielschrank sind die Registerzüge in beidseitigen vertikalen Reihen angeordnet. Die Setzerbedienung erfolgt neben den Drückern und Pistons mit einem Touchscreen in einem Auszugschubfach und erlaubt die Ablage nach Nutzern, Werktiteln u.Ä. in praktisch unbegrenzter Anzahl (werkeigenes System Eule). Registrierungen können über USB extern gespeichert und mit dem Programm Pro organo pleno (Stefan Kiessling) auch am externen PC oder Laptop bearbeitet werden. Von hier aus hat der Organist einen guten Blick in die Chapel zum Chor (anders als an der Vorgängerorgel, wo er unter dem Hauptgehäuse eingezwängt war). Ein reaktionsschneller Monitor erlaubt verzögerungsfreien Blickkontakt zum Dirigenten. Die hochwertige und moderne Spieltechnik erlaubt dem Organisten die Ausnutzung der gesamten Klangwelt der neuen Orgel. Die Orgel erhielt Schleifladen. Die Manuale I, II und II und die Koppel II-I haben mechanische Traktur, Manual IV, die Tuba und das Pedal werden elektrisch angespielt, ebenso das Lieblich Gedackt 16′ mit 8′-Extension, damit diese unabhängig von Hauptwerk und Pedal angespielt werden kann. Für die elektrischen Koppeln sind alle Klaviaturen mit berührungsfreien optoeletrischen Kontakten ausgestattet. Die Registertraktur ist rein elektrisch. Die elektrische Traktur ist digital, mit Controllern zur Codierung und Decodierung der analogen Signale von den Tasten bzw. Registerzugmagneten und zu den Ton- und Schleifenzugmagneten. Zum Einsatz kam unser werkseigenes Elktroniksystem, entwickelt mit der Hochschule Mittweida (Prof. Christian Schulz) und unabhängig von Update-erfordernden Betriebssystemen. Die Setzeranalge steuert sowohl werkgeteilte Kombinationen (he 8 Divisionen) als auch die klassischen Setzerkombinationen.

Zwei großräumige Schwellkästen aus massivem, fünf Zentimeter starkem Holz erlauben eine weite Dynamik. Sie haben separat oder gekoppelt ansteuerbare, doppelt gefälzte Jalousien an Vorder- und Rückseite (letztere als Echo nutzbar), elektrisch betrieben. Die große symphonische Windanalage ist im Untergehäuse platziert mit Haupt- und Hochdruckmaschine, Vorbalg, vier Werkbälgen und Hochdruckbalg. Ergänzt um kleine Federstoßbälge, bewältigt sie auch ein großes vollgriffiges Tutti. Der Winddruck ist individuell werkweise eingestellt.

Das Klangkonzept wurde seit unserem ersten Enwurf von 2018 mit dem Informator Choristatum Mark Williams weiterentwickelt:

– eine reich besetzte Disposition mit verschiedener Stilistik, beginnend im mitteldeurschen Spätbarock J. S. Bachs über die deutsche Hoch- und Spätromantik (samt durchschlagender Physharmonica) und übergreifend bis zur englisch-amerikanischen Symphonik der 1930er Jahre, im besten Sinne universal, aber nicht beliebig;

– die dadurch eine eigenständige, charakteristische Klangpersönlichkeit inmitten der Oxforder Orgelgesellschaft ist;

–  Eine reiche Besetzung mit Grundstimmen (8′, auch 16′ und 4′) in vielen dynamischen Abstufungen und Klangfarben. Sie tragen den Chor und die Gemeinde mit einem warmen, vollen und trotzdem zeichnenden Klang;

– Betonung verschiedener Streicherstimmen für die Klarheit des Grundstimmenensembles;

– Begleitfähigkeit eines jeden Teilwerks zu den anderen;

– eine große, weitgespannte Dynamik vom ppp zum ƒƒƒ mit dem eindrucksvollen majestätischen Sound der englischen Solotuba als Krönung, sowohl durch die Klangabfolge der Register als auch die beiden Schwellkästen und die schwellbare Physharrmonica;

– vielseitige Möglichkeiten zur Begleitung verschiedener Chöre, Solisten und der Gemeinde;

– eine optimale Klangbestrahlung eines jeden Registers und Teilwerks durch ausreichend Platz für die Klangentfaltung;

– gleichwertige Beschallung auch der Ante-Chapel hinter der Rückseite der Orgel;
– differenzierter Winddruck zur Unterstützung der Intonationscharakteristik;

– Klangvolumen und Fülle durch Grundstimmen, Verzicht auf aggressive und laute Register wie hohe Mixturen und direkte horizontale Zungen;
– eine inspirierende, farbige, ausdrucksvolle und charaktervolle künstlerische Intonation eines jeden Registers mit wohl abgestimmter Mischungs- und Kombinationsfähigkeit;

Angepasst an die Akustik der Chapel mit den unterschiedlichen Zuhörerszenarien.

Die neue Orgel versteht sich als Instrument des 21. Jahrhunderts, nicht als Stilkopie einer historischen Orgel. Sie ist inspiriert durch Orgeln von Ladegast, Walcker, der französischen und englischen Spätromantik, aber nicht als Zusammenstellung nachgebauter Register, sondern als Neuinterpretation im Sinne einer einheitlichen neuen Orgel. Dazu verfügt sie über die aktuell modernste und zugleich bereits erprobte Spieltechnik. Wir nutzen alle Möglichkeiten moderner Technik, soweit sie bewährt sind und einen Gewinn an Spielkomfort oder Klangmöglichkeit bieten. Die Intonation leitete Johannes Adler. […]

Jiří Kocourek

Alle Bildrechte gehören

dem Hermann Eule Orgelbau.